

Seit Jahrzehnten versucht sich Wilhelmshaven im Spagat zwischen Industriealisierung und Tourismus und "pflügt" den Naturschutz förmlich unter. :( | foto.hufenbach
21-05-2025 | Pressemitteilung | NABU | Niedersachsen |
Geplante Totalentwertung des EU-Vogelschutzgebietes in Wilhelmshaven
Wilhelmshaven/Hannover – Am 21. Mai ist Natura 2000-Tag, der europaweit an unsere gemeinsame Verantwortung für die Bewahrung einzigartiger Lebensräume erinnert. In diesem Rahmen schlägt der NABU Niedersachsen Alarm: Ausgerechnet eines der wertvollsten EU-Vogelschutzgebiete Deutschlands – der Voslapper Groden Nord – soll für einen Industriekomplex geopfert werden. Der NABU Niedersachsen fordert von Politik und Wirtschaft ein sofortiges Umdenken – und von der EU ein klares Nein zur beabsichtigten Löschung des Schutzstatus.„Wie kann es sein, dass ein Natura 2000-Gebiet, das nachweislich internationale Bedeutung als Brut- und Rastgebiet besitzt, an einen rein wirtschaftlich motivierten Energiekonzern ausgeliefert werden soll?“, fragt Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen. „Wenn wir selbst in solch hochwertigen Schutzgebieten wirtschaftliche Interessen vorziehen, verabschieden wir uns nicht nur vom europäischen Naturschutzrecht, sondern auch von jeglicher Glaubwürdigkeit.“
56 Prozent des Schutzgebiets in Gefahr – Totalentwertung droht
Die Pläne der Firma Tree Energy Solutions (TES), im Vogelschutzgebiet einen sogenannten „Energiepark“ zu errichten, gefährden über die Hälfte der Schutzfläche – und damit auch das Überleben geschützter Arten wie Tüpfelsumpfhuhn, Rohrdommel oder Blaukehlchen. Der Stadt Wilhelmshaven zufolge würde das Projekt zur vollständigen ökologischen Entwertung des Gebiets führen. Dennoch wurde bereits ein Verfahren zur Bauleitplanung eingeleitet – unter Berufung auf nationale Sicherheitsinteressen.Ein solcher Schritt wäre aus Sicht des NABU Niedersachsen ein Dammbruch: „Es geht hier nicht nur um ein einzelnes Bauprojekt, sondern um einen gefährlichen Präzedenzfall. Wenn wirtschaftliche Interessen ausreichen, um ein EU-Vogelschutzgebiet aufzulösen, sind alle Natura 2000-Gebiete in Deutschland gefährdet“, warnt Buschmann.
Greenwashing auf Kosten der Artenvielfalt
Zwar bewirbt TES den Energiepark unter dem Deckmantel der Energiewende – doch laut Planungsunterlagen sollen dort nicht nur erneuerbare Energien, sondern weiterhin fossiles Flüssiggas verarbeitet werden. Bereits seit Sommer 2023 errichtet das Unternehmen im Wattenmeer eine schwimmende LNG-Anlage – unmittelbar vor dem Schutzgebiet.„Wer fossile Infrastruktur unter dem Label ‚grüner Wasserstoff‘ tarnt, betreibt kein Zukunftsprojekt, sondern Greenwashing“, so Buschmann weiter. „Das vermeintliche Energieprojekt ist eine Gefahr für die Biodiversität und ein Etikettenschwindel gegenüber Öffentlichkeit und EU.“
Auch die oft bemühte fossile Brücke zu angeblich „grünen Molekülen“ öffnet Tür und Tor für blauen Wasserstoff – insbesondere dann, wenn ein belastbarer Herkunftsnachweis für die neue Energieform fehlt.
Natura 2000 braucht politische Rückendeckung – nicht Abwicklung
Der NABU Niedersachsen erinnert daran, dass Deutschland durch das Kunming-Montreal-Abkommen und die EU-Biodiversitätsstrategie verpflichtet ist, 30 Prozent seiner Landes- und Meeresfläche unter Schutz zu stellen. Die Zerstörung eines bestehenden Schutzgebiets läuft diesem Ziel diametral entgegen.„Wer jetzt ein Natura 2000-Gebiet opfert, muss erklären, wo und wie diese Fläche künftig kompensiert werden soll – das sind wir der Natur und kommenden Generationen schuldig“, betont der NABU-Vorsitzende. Es gebe ausreichend Alternativstandorte für den Energiepark, die naturschutzfachlich weit weniger konfliktbeladen seien – etwa im Rüstersieler oder Heppenser Groden.
NABU fordert: Keine Aufhebung des Gebiets, keine industrielle Nutzung
Angesichts der drohenden ökologischen Katastrophe appelliert der NABU Niedersachsen an:-> Die Stadt Wilhelmshaven: Das Bauleitverfahren umgehend zu stoppen und ihrer Rolle im UNESCO-Biosphärenreservat sowie im Bündnis für Biologische Vielfalt gerecht zu werden.
-> Das Land Niedersachsen: Die Pläne kritisch zu prüfen und sich auf Bundes- und EU-Ebene klar gegen die Aufhebung des Schutzgebiets auszusprechen.
-> Die EU-Kommission: Einer Streichung des Gebiets von der Natura 2000-Liste nicht zuzustimmen – denn wirtschaftliche Argumente reichen laut EuGH-Rechtsprechung dafür nicht aus.
„Natura 2000 ist kein Wunschkonzert – es ist unsere verbindliche Zusage an die Natur. Wenn wir den Naturschutz an wirtschaftliche Interessen verkaufen, verlieren wir weit mehr als seltene Vogelarten. Wir verlieren unsere Glaubwürdigkeit und unsere Zukunftsfähigkeit“, so Buschmann abschließend.
Hintergrund:
Der Natura 2000-Tag wird jährlich am 21. Mai begangen – dem Tag, an dem 1992 die EU-Vogelschutzrichtlinie und die FFH-Richtlinie verabschiedet wurden. Ziel ist es, das weltweit größte Schutzgebietsnetzwerk bekannt zu machen und seine Bedeutung für Natur und Gesellschaft ins Bewusstsein zu rufen.-ex> Dying of the woods | Waldsterben hausgemacht | VIDEO
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