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Jade Weser Port: Düstere Aussichten mit Ansage | 22-05-2023

FOTO: Hufenbach


Seit seiner Eröffnung kämpft der JadeWeserPort mit den Tücken der Weltwirtschaft

22-05-2023 | Kommentar | -ex> Wolf-Dietrich Hufenbach

Jade Weser Port: Düstere Aussichten mit Ansage

Eine bittere Erkenntnis stabilisiert sich, denn der hochgejubelte Jade Weser Port verzeichnet einen Umsatzrückgang von über 20 Prozent im Gegensatz zum Vorjahr, das auch durch Corona geprägt war.

Trotz alledem plant man schon die nächste Ausbaustufe, denn die Bauindustrie muss ja irgendwie subventioniert werden?

Schon die ersten Schritte zum Bau des Containerhafens, am angeblich so universell tiefen Fahrwasser, mit angeblich zweistelligen Wachstumsraten und damit einer hochgepuschten rosaroten Zukunft, entpuppten sich bis heute als Fehleinschätzung.

Dilemma: Ein falsch prognostiziertes Ziel, das in weiter Ferne liegt

Das beste Jahr für den Jade Weser Port war 2021, als 712.953 Container umgeschlagen wurden. Die errechnete Maximalauslastung liegt aber bei 2,7 Millionen Boxen.

Trotz berechtigter Skepsis wird hartnäckig weiter an Expansionskriterien gearbeitet:

Zitat: "... „Mit Hapag-Lloyd ist jetzt eine der weltweit fünf größten Reedereien am Jade-Weser-Port beteiligt, zudem hat der Terminalbetreiber Eurogate angekündigt, in den kommenden drei Jahren rund 150 Millionen Euro zu investieren." Wegen der Perspektiven werde man auch an den Plänen für die zweite Ausbaustufe festhalten. ..."
(Häfenbilanz Niedersachsen Rekordumschlag im Jade-Weser-Port | weser-kurier.de - 21-02-2022)

Denkfehler fängt bei Einschätzung von Reedereien an

Was hat ein Land oder eine Stadt davon, wenn sich ein großer Reeder mit ihren Schiffen an einen Hafen binden? Eigentlich gar nichts.

Am Beispiel von Hapag Lloyd, die für Maersk am Jade Weser Port "eingesprungen" ist, läßt sich deren Strategie verdeutlichen. Von der Lokalen Heimatblatt als Glücksfall angepriesen, weil Maersk absprang, entpuppt sich die Realität als Minusgeschäft für die Bundesrepublik, Wilhelmshaven eingeschlossen.

Lediglich der Hafenbetreiber Eurogate bekommt für die Container, die über die Kaikante wandern relativ angemessene Beträge an Geld, mit denen man in guten Jahren mit vielen Containerbewegungen Gewinnzonen erreichen kann. Das Jahr 2022 endete für Eurogate wegen gesunkener Containermengen allerdings mit einem Verlust.

Steuerflucht oder -vermeidung haben Wilhelmshavener quasi for der Haustür

Eigentlich sollte demnächst alle Unternehmen eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent ereilen, nicht so bei den Reedern, wie z. B. Hapag Lloyd.

Viele Unternehmen haben neben den Reedereien versucht, eine Befreiung von der globalen Mindeststeuer auszuhandeln, von High-Tech- bis Pharmaindustrie.

"Unique"

Das schlagende Argument der Industrie lautete, "wir sind ganz besonderes" – "unique".

Kreuz- und die Containerschifffahrt werden schon seit Jahrzehnten von normalen Steuern befreit

Die internationale Schifffahrt zählt zur Ausnahme von der globalen Mindeststeuer. An erster Stelle steht dabei der Containertransport über das Meer. Neun Großreeder haben den Weltmarkt unter sich aufgeteilt.

In Eingaben an die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung | Organization for Economic Co-operation and Development) schreibt die Schifffahrtslobby:

Zitat: " ... Unsere Einkünfte generieren wir auf der Hohen See, außerhalb des Terreroriums irgendwelcher Staaten. Uns zu besteuern wäre verwaltungstechnisch extrem kompliziert und im Übrigen seit 100 Jahren gibt es einen Konsens, dass wir nicht besteuert werden, wie die anderen. ..."
(Globale Mindeststeuer: Reeder werden verschont | Das Erste - Panorama - 04-05-2023)

Den Aufstieg und ihre Machtfülle bei gleichzeitiger Steuerbegünstigung begründen die Reeder so:

Zitat:"... Wir sind halt wichtig für die Wirtschaft und sogar Militärstrategie und nationale Verteidigung. ..."
(Globale Mindeststeuer: Reeder werden verschont | Das Erste - Panorama - 04-05-2023)

Zynisch wird dann bemerkt:

Zitat: "... Will die Branche uns damit sagen, dass im Krieg AIDA-Schiffe die Bundeswehr an die Front bringen sollen und das ihr deshalb die Befreiung von der Mindeststeuer gebührt? ..."
(Globale Mindeststeuer: Reeder werden verschont | Das Erste - Panorama - 04-05-2023)

Container-Reedereien verbuchen historische Rekordgewinne

Der französiche Reeder CGM-CGA verbuchte im Jahr 2022 23 Milliarden Euro Gewinn, Maersk aus Dänemark sogar 28 Milliarden Euro und Hapag Lloyd 17 Milliarden Euro.

Es wäre doch nur fair, wenn von diesen Beträgen in den Städten, in denen die Häfen betrieben werden, auch soviel ankommt, dass dort die Infrasrutktur oder der Bildungsapparat unterhalten bzw vorangetrieben werden könnten.

Wie andere Reedereien zahlt Hapag Lloyd eine sogenannte Tonnagesteuer, die sich am Ladevolumen der Schiffe orientiert und nicht an der Ladung selbst, mit der die echten Gewinnmagen erzielt werden.

Auf die Frage nach einer Begründung an Mark Frese (Chief Financial Officer | Hapag-Lloyd) bei der Pressekonferenz im März 2023 zur Befreiung von der globalen Mindeststeuer sagte dieser:

Zitat: "... Die Befreiung der Schifffahrt von dieser neuen Steuer hat den Zweck, diesen Wirtschaftssektor in Europa zu stärken. Es geht hier nicht nur um Deutschland. ..."
(Globale Mindeststeuer: Reeder werden verschont | Das Erste - Panorama - 04-05 - 2023)

Er fügte noch hinzu, dass man sich die 15 Prozent globale Mindeststeuer sehr wohl leisten könnte, ein Satz, bei dem dem Journalisten des Beitrags der Mund offen stehen blieb.

Hapag Lloyd zahlte laut Recherchen in den Jahren 2021 und 2022 etwa 1,1 - 1,2 Prozent Steuern.

Mit dem Steuersatz von 1,1 Prozent von 17 Milliarden Euro der Reederei Hapag Lloyd wären dann etwa 180 Millionen Euro 2022 an den Fiskus des Bundes gewandert, mit 15 Prozent hingegen 2,65 Milliarden Euro.

Es ist müßig darüber zu streiten, dass die Bundesbürger:innen horrende Subventionen für die Schifffahrt zahlen und somit Beträge für sämtliche Haushalte, letztendlich auch in den Kommunen faktisch nicht mehr vorhanden sind. Das hat Auswirkungen auf die Bildung, die Medizinlandschaft, die Infrastruktur, Maßnahmen für die Anpassung an den Klimawandel – die Liste wäre schier endlos.

Darunter leidet Wilhelmshaven schon seit Jahrzehnten und wird 2028, wenn alles gut geht, nur 110 Millionen Euro Miese in der Stadtkasse haben. Kommt kein neues Geld, zieht das weitere drastische Kürzungen nach sich.

Politiker:innen machen krank

Das ruft dann wieder Politiker:innen auf den Plan, die meinen, dass Menschen, die vom Staat angewiesen sind, eine Bringschuld hätten, wie der CDU Vize Carsten Linnemann.


Die Hafenarbeiter:innen des JadeWeserPort mussten 2022 dreimal streiken, bevor sie eine Lohnerhöhung bekamen!

Sie treiben die Gesellschaft in eine Richtung, die sich den Gesetzen der Industriebetriebe unterzuordnen hat. Sie pochen darauf, dass sich Arbeiter:innen weiterhin, gefälligst mit ihrer Arbeit identifizieren und ihr ganzes Leben darauf auszurichten haben. Dazu zählt auch der Verlust von Natur- und Umwelt, letztendlich die Lebensgrundlage aller Menschen. Die Industrie verlangt nach Platz und können keine Ausgleichsflächen mehr den Verlust ausgleichen, dürfen nicht mehr vorhandene Naturräume seit kurzem auch mit Geld augeglichen werden. Dass sich die Menschheit damit ins eigene Knie schießt, erklärt sich von selbst.

Das System des Finanzkapitalismus, an das wir "gewöhnt" wurden kennt genau aus diesem Grund nur einige wenige Gewinner und ganz viele Verlierer. Letztere zahlen nur viel zuviel, weil die Politik dieses System stützt, inkusive Olaf Scholz (SPD), der die Schifffahrt für etwas ganz besonderes hält und deshalb für die Befreiung von der globalen Mindeststeuer votierte.

Die Experten hingegen meinen:

Zitat: "... Ein Naturgesetz für die Privilegierung der Reeder gäbe es nicht. ..."
(Globale Mindeststeuer: Reeder werden verschont | Das Erste - Panorama - 04-05 - 2023)


Eine Erweiterung zum Klimawandelhafen zur Lösung des Dilemmas wurde nie ernsthaft verfolgt

Wilhelmshaven ist Verlierer, nicht nur im Containergeschäft

Das Oberzentrum mit dem Containerterminal Jade Weser Port wird somit auch zukünftig in die Hafen-Infrastruktur hineinbuttern, was sich unterm Strich als Dauer-Minusgeschäft abzeichnet.

Die Warnungen von der Bürgerinitiative "Antiport" wurden von einer erdrückenden Lobby mitsamt Unterstützung der Lokalen Presse ausgegrenzt, was ausschließlich geschäftspolitische Gründe haben dürfte.

Wird in Wilhelmshaven nicht bald ein Paradigmenwechsel vollzogen, wird es auch bei strahlendem Sonnenschein aus der Schuldenspirale nie mehr herauskommen und zum Spielball verschiedenster Lobbyverbände mit dem Ziel der Gewinmaximierung auf Kosten der Allgemeinheit werden.

Innovation Wilhelmshaven


Eine Lösung für Wilhelmshavens Zukunftsfähigkeit wäre ein echter Paradigmenwechsel

Nun sind die Bürger:innen gefragter denn je, die Zukunft Wilhelmshavens mit Bürgerkonventen mit zu entwickeln. Dafür bedarf es eines Paradigmenwechsels, der Natur- und Umweltbelange in den Focus der Betrachtung rücken muss.

Zusammen mit den Bürger:innen muss eine Gemeinwohlökonomie in Wilhelmshaven etabliert werden und nicht die Weiterführung einer Huldigung von Gewinnmaximierungsstrategien ausländischer Konzerne, die die eigentlichen Steuern in Schlupflöcher transferieren, weit außerhalb Wilhelmshavens.

Wilhelmshaven muss sich grundlegend verändern :)

In "Wilhelmshaven lebt?" haben wir schon ausführlich beschrieben, wo eine Alternative für die Entwicklung Wilhelmshavens läge. Dazu gehört auch, dass sich die Industrie komplett neu erfinden muss und vorgesehene Beiträge zur Anpassung an den Klimawandel oder für die Bildung bei einer Haushaltskonsolidierung nicht gestrichen werden dürfen.

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