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Die Identitäststiftung Wilhelmshavens durch sogenannte Fotopoints ist hochumstritten :( | foto.hufenbach

09-05-2023 | Kommentar | -ex> Wolf-Dietrich Hufenbach

Wilhelmshaven lebt? | In der Jadestadt summieren sich die Probleme der Vergangenheit.

Damit die Wähler:innen nicht ganz aufgebracht wurden, verkündete das Lokale Heimatblatt, dass alle Kleingärtner:innen in Wilhelmshaven von der bis zu 4-fachen Pachterhöhung betroffen sein werden. Die Freitzeitgärtner:innen, die in jahrzentelanger Arbeit den Banter See erst zu dem Stück Freizeitkultur entwickelten, was es heute ist, dürfen zunächst noch aufatmen.

Um die "Seriosität" dieser kommunalpolitischen Entscheidung zu untermauern, wurden andere Kommunen herangezogen, in denen die Pacht selbstverständlich schon längst viel höher ist, als in Wilhelmshaven.

Wilhelmshaven krankt an sich selbst

Die Jadestadt erweist sich als Phänomen, wenn es darum geht, Gelder förmlich zu versenken. Da wurde die Wohnungsbaugesellschaft Jade verkauft, ein Containerhafen gebaut, zufällig erteilte Millionenzuschüssse des Landes gern entgegengenommen, inklusive einer Krankenhausneubausubvention von 100 Millionen Euro.

Das Dilemma

Ein schlüssiges Konzept, wie Wilhelmshaven nachhaltig zukunftsfähig entwickelt werden soll, besteht bis heute nicht. Die wirtschaftliche Entwicklung ist bis heute ein Sammelsurium an Baustellen, die keine gesamtheitliche oder nachhaltige Strategie enthalten, sondern mehrheitlich eine Melange aus Bangen, Löcher stopfen und hoffen.

Auf der einen Seite fehlt der Mut, die Stadt grundsätzlich zu verändern, also einen echten Paradigmenwechsel zusammen mit den Bürger:innen auf Augenhöhe in Form von Bürger:innen-Konventen zu vollziehen. Die andere Seite ist die gewachsene Lobbystruktur, die man als Dauerindustriealisierungforderung definieren könnte. Letztere hat sich überlebt, weil Steuern der großen Konzerne maximal im Promillebereich Wilhelmshaven erreichen. Die Mär von vielen Arbeitsplätzen, durch mehr große Industrieansiedlungen, wird durch die Realität von zunehmender Automatisierung und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ad absurdum geführt.

KI wird die Arbeitswelt grundlegend verändern

Der Mitentwickler Geoffrey Hinton, der seinen Job bei Google inzwischen hingeschmissen hat, "stuft seine Entwicklung als Pionier und Mitentwickler von Programmen wie chatGPT angesichts der unkontrollierten Entwicklung ohne Regulierungsrahmen als beängstigend ein und fügt hinzu, dass angesichts von selbstlernender KI (AGI: Artificial General Intelligence) wäre es möglich, dass selbstbestimmende Maschinen in nicht allzuferner Zukunft Menschen umbringen.

Die Folgen für den Arbeitsmarkt definiert Geoffrey Hinton so:

Zitat: "... Die Gefahren im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz seien vielfältig und gleichzeitig kaum zu überblicken, sagte Hinton. Es gehe um "ernste Risiken für die Gesellschaft und für die Menschheit". Der harte Wettbewerb bringe die Technologieunternehmen dazu, "in einem gefährlichen Tempo" immer neue KI zu entwickeln. Damit breiteten sich etwa Falschinformationen aus. "Es ist schwierig sich vorzustellen, wie man die Bösen daran hindert, KI für böse Dinge einzusetzen". ..."
(Quelle: Warnung vor Risiken Künstlicher Intelligenz Chatbots bald "intelligenter als wir"? | tagesschau)

Klinikum Wilhelmshaven wird immer mehr zum Klotz am Bein


Die Wachstumsvorhersagen erscheinen angesichts der problembelasteten Realität des Klinikum Wilhelmshaven wenig deckungsgleich :( | foto.screen.ndr

Letzte Woche wurden erneut Millionen in den Krankenhausneubau transferiert, damit eine Insolvenz zunächst verhindert werden kann. Mit einer vorherigen Überweisung belaufen sich diese offiziellen Zuschüsse schon auf über 44 Millionen Euro, die jetzt an allen Ecken und Enden im städtischen Haushalt fehlen. Auf die 100 Millionen der Krankenhaussubvention des Landes kann zur Zeit nicht zurückgegriffen werden, da das vorgelegte Wachstumskonzept nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar ist und eine Sperrung des Kontos nach sich zog. Der NDR hat dazu eine Statistik veröffentlicht, die selbst Fachleute im Gesundheitswesen faszinieren dürfte.

Privatisierung vorprogrammiert?

Inzwischen kocht die Gerüchteküche hoch und eine Privatisierug könnte in Betracht kommen. Damit würde sich das Versprechen der Mehrzahl der Kommunalpolitiker:innen dann in Luft auflösen. Denen hatte man schon beim Beschluss ein kommunales Krankenhaus bauen zu wollen schweres Fahrwasser vorausgesagt. Letztendlich half auch die Einebnung des St. Willehad Hospitals nicht, das katholische Krankenhaus, das einem prosperierenden Wachstum des Klinikum Wilhelmshaven (damals Reinhard-Nieter Krankenhaus) quasi im Weg stand.

Das ehemalige St. Willehad Hospital, deren Immobilien nach seiner Schließung geradezu verschleudert wurden, um zum Pflegeheim St. Willehad zu werden, musste inzwischen wegen Insolvenz schließen.

Der Krankenhausbau charaktirisiert die kommunalpolitische Einschätzung wirtschaftlicher Aspekte, aber auch, dass der Gedanke eines ewigen Wachstums, auch im Gesundheitswesen, die Geister lenkt und bestimmt.

Nachhaltigkeit

Eine Lösung wäre ein grundlegender Wandel Wilhelmshavens auf Augenhöhe, zusammen mit den Bürger:innen. Leider serviert man ihnen bis heute in regelmäßigen Abständen eine Leistungskürzungsliste und das Dauerversprechen einer Besserung der Lage.

Lichtblicke?

1,8 Millionen Euro darf zweckgebunden von einer Förderung für die Belebung der Innenstadt ausgeben werden. Leider gehören dazu auch Aufsteller mit den drei Buchstaben "WHV" für Wilhelmshaven die sich auch auf dem Nummernschildern des Oberzentrums befinden oder "MOIN" als Begrüßung.

Irgendwie ist das bezeichnend für die Wilhelmshavener Zukunftskonzeptionäre, die sich vielleicht besser überlegen sollten, jeden Cent in Klimaschutzanpassungen zu investieren, interessante Anreize für junge Leute zu erarbeiten oder einem Energiemanagement zur Gesamtkostensenkung in öffentlichen Gebäuden.

Sensationelle Veröffentlichungen im Lokalen Heimatblatt ebben nicht ab

Immer wieder werden Goldene Kälber durchs "Dorf" getrieben, die sich als wenig nachhaltig für Wilhelmshaven erweisen oder überhaupt nicht realisiert werden dürfen, wie ein in den Ring geworfener Holzhochhausneubau.

Enteignung der Gemeinschaft

Auch die angepeilte Megaindustrialisierung an der Küste, mit geplantem Wasserstoffwerk, einer Verlegung der Kartonfabrik aus Varel auf den Rüstersieler Groden, die wieder ins Spiel gebrachte Containerhafenerweiterung oder die Erzeugung des Stahlvorproduktes Eisenschlamm werden den Haushalt von Wilhelmshaven nicht nachhaltig entlasten. Es ist absehbar, dass wirtschaftliche und somit monetäre Rückschläge die Jadestadt ereilen, statt einer exorbitanten Vermehrung der Gewerbesteuer.

Das Lokale Heimatblatt schenkt ihren Leser:innen trotz drohender Vorzeichen den festen Glauben: "Industrie-Schwergewichte wollen Wilhelmshaven stärken". Es geht den Konzernen eher darum, mit dem geringsten Aufwand einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen, denn Privatisierung kommt aus dem Lateinischen (privare) und bedeutet übersetzt: "berauben". Der Impuls eines übersteigerten Selbstbewusstseins Wilhelmshavens gekoppelt an mögliche Industrieansiedlungen, wird in unregelmässigen Abständen immer wieder aufgefrischt, aber leider ohne wirkliches Update und somit nicht an die Realität mitsamt den Umwelt- und Klimaveränderungen angepasst.

Gewinne für wenige – Verluste für alle

Gemeinwohl wird durch die Konzerne oder Fonds in den seltensten Fällen bedient. Das weiß man spätestens seit dem Film "Let’s Make Money", den man bis heute leider nicht in Schulen oder Bildungseinrichtungen zeigt.

In Let’s Make Money werden Bilder erzeugt, die bleiben:

Zitat: "... Die Abwicklung des Welthandels geschieht großteils über Steuerparadiese, um das Kapital aus dem Staat zu bringen, in welchem die Wertschöpfung stattfand. Dies führt nicht zuletzt zu einer drastischen Kapitalflucht aus den Entwicklungsländern, in die oftmals das Kapital nie wieder zurückfließt. Man schätzt, dass für jeden US-Dollar, der für die Entwicklungshilfe nach Afrika fließt, gut 10 Dollar unter dem Tisch wieder das Land verlassen. ... "
(Quelle: Let’s Make Money)

Ähnliches erlebt und wird das "Entwicklungsland" Wilhelmshaven abermals erleben, wenn es der geplanten Großindustrialisierungswahnvorstellung Folge leistet.

Man transportiert altes Gedankengut und schreibt "NEU" darüber

Wilhelmshavens eigene Stärken und Qualitäten sowie die Interessen und Ideen ihrer Einwohner:innen werden dabei untergepflügt. Statt ein selbständiges und nachhaltiges Oberzentrum zu entwickeln, werden die Bürger:innen weiterhin mit schillernden Power-Point-Präsentationen in die Abhängigkeit von Fonds und Konzernen getrieben.

Auffallend viele Öl- und Gaslobbyisten

Das Kapital in Form BP, Gasunie, Nowega, NWO, Salzgitter, Thyssengas und Uniper steht inzwischen Schlange, um sich auf den aufgespülten Grodenflächen zu verwirklichen und teils milliardenschwere Subventionen zu sichern. Den steuerzahlenden Bürger:innen sollen ihre gewinnorientierten Interessen aufgezwungen werden, mitten in einer Energiemix-Entwicklung, die sich gerade erst am Anfang befindet.

Gespenst der Deindustrialisierung wird vorangetrieben

Betriebe wandern ab und bundesweit werden Horrorszenarien geprägt, weil das Denk- und Handlungsmuster einer Finanzwelt ins Wanken geraten könnte, über das sich der Staat letztendlich finanziert. Weltweit brechen Banken zusammen. Deren Verluste werden in andere Finanzinstitute transferiert, um einen drohenden Kollaps zu verhindern. Die Zahl der Einkommensmillonäre steigt und somit auch die Zahl derjenigen ohne viel Moos. Vermögen in Billionenhöhe warten darauf möglichst gewinnbringend investiert zu werden und in Wahrheit ist Cushing (Oklahoma) der Dreh- und Angelpunkt für die weltweite Preisbildung für Erdöl. Das Kapital degradiert das Leben zu einer Zahlenspielerei, die nur noch auf einem Stück Papier stattfindet. Geld, Gier und Konsum werden zur Ersatzdroge für echte Empathie, weil man sowieso nichts ändern kann?

Mitnichten :)

Angst soll Hirn fressen ist die Devise vieler Industrieller, aber auch von führenden Politiker:innen, die sich inzwischen ebenfalls dieser Muster bedienen, weil ihnen der Mut zur Durchsetzung von nachhaltigen Lösungen fehlt.

Ein konservativer Parteigeist ließ jüngst verlautbaren, dass diejenigen, die vom Staat alimentiert werden ein Bringschuld hätten. Diese von der Realität eines sich wandelnden Arbeitsmarktes weit entfernten privilegierten Kapitalisten sollten aus meiner Sicht ´mal zehn Jahre Hartz IV, jetzt Bürgergeld, kosten.

Gegen diejenigen, die dennoch unbequeme aber dringend notwendige Veränderungen präsentieren, werden industriell geprägte Feldzüge geführt, die ein "Weiter so" möglichst lange garantieren.

Die Industrie muss sich komplett neu erfinden

Grundlegende Veränderungen schmecken niemandem, dennoch sind sie dringend nötig:
Zitat: "... Bundesumweltministerin Steffi Lemke „Wir haben Jahrzehnte auf Kosten unserer Natur gewirtschaftet. Sei es im Energiebereich, im Verkehr oder in der Landwirtschaft. Diese Altlasten kommen uns teuer zu stehen. Das zeigt der OECD-Bericht unmissverständlich. Um die drei Großkrisen unserer Zeit – Klimakrise, Artenaussterben und Verschmutzungskrise – zu bekämpfen, müssen wir Natur-, Ressourcen- und Klimaschutz schneller und stärker zusammenführen. Die Empfehlungen der OECD zeigen dafür Wege auf – unter anderem zum Abbau umweltschädlicher Subventionen.“ ..."
(Quelle: OECD-Umweltprüfbericht fordert umweltverträgliche Energie-, Verkehrs- und Finanzpolitik und lobt das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz | 2023)

Die Empfehlungen der OECD sind eindeutig. Hier nur ein Beispiel:

Zitat: "... Die Ergebnisse von Umweltverträglichkeitsprüfungen und Nachhaltigkeitsprüfungen gesetzlicher Bestimmungen im Entscheidungsprozess stärker berücksichtigen; die Unterstützung für eine wirksamere Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und strategischen Umweltprüfungen, insbesondere auf lokaler Ebene, verstärken; die Qualität und die Unabhängigkeit der wirtschaftlichen Beurteilung umweltbezogener Maßnahmen steigern. ..."
(Quelle: OECD-Umweltprüfbericht | 2023)

Die Bundesregierung hat mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz genau das Gegenteil getan.

Wilhelmshaven muss seine eigenen Stärken entwickeln

Dazu gehört es, die Bürger:innen zukünftig mit Bürger:innen-Konventen in die Entwicklung der Stadt aktiv einzubinden.

Die Politiker:innen der vergangenen Dekaden haben sich in der Vergangeheit viel zu oft selbst bewiesen, dass es längst nicht um die Entwicklung einer Gemeinwohlökonomie in Wilhelmshaven geht. Zum Instrumentarium des Scheiterns gehören auch die Insignien einiger Parteien selbst. Sie sorgen regelmässig dafür, dass durch Parteidisziplin die eigene Meinung auf der Strecke bleibt.

Insgesamt betrachtet ist ein echter Paradigmenwechsel auf Augenhöhe alternativlos. Der hieße dann: "Ökologie first" verbunden mit absoluter Transparenz :)

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-ex> Zukunftswerkstatt Wilhelmshaven

-ex> Warnung vor Risiken Künstlicher Intelligenz Chatbots bald "intelligenter als wir"? | tagesschau)

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