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Hochhaus Déjà-vu in Wilhelmshaven? | 13-03-2023

FOTO: Hufenbach


Am Platz des ehemaligen Adena Hauses soll ein 20stöckiges Holzhochhaus entstehen :( | foto.hufenbach

13-03-2023 | Kommentar | -ex> Wolf-Dietrich Hufenbach | CEO | Zukunftswerkstatt Wilhelmshaven

Hochhaus Déjà-vu in Wilhelmshaven? | Über den dritten Versuch in Wilhelmshaven einen Wolkenkratzer zu bauen.

Genau, da war doch was:

Auf Wangerooge gab es Investorengerangel, direkt hinter dem Hauptbadestrand, am Wilhelmshavener Helgolandkai sollte mal ein Art "Burj Al Arab" entstehen, in Horumersiel ein imposantes Hochhaus als Feriendomizil, auf dem Parkplatz direkt hinter dem Südstrand in Wilhelmshaven ein weiteres Hochhaus und nun mitten im Herzen der Stadt ein 20stöckiges Holz-Hochhaus-Highlight?

Schon in der Vergangenheit wurde so manche Sau durch Wilhelmshaven getrieben. Diese "Tänze ums Goldene Kalb", die sich für Wilhelmshaven mehrfach als wahrer Geldsegen auszahlen sollten und letztendlich scheiterten, kennen die Oberzentrum-Bürger:innen zur Genüge.


Auf dem Ehrenwortplatz sollten zunächst ein Outletcenter und ein Altenheim entstehen. Beide Projekte wurden nicht realisiert :( | foto.hufenbach

Unterm Strich kam es eher zu verheerenden Löchern in der kommunalen Hauhaltskasse, weil Investoren auf Steuervermeidung geeicht sind. Selten bis gar nicht wurden die Wilhelmshavener:innen mit in die Entwicklung ihrer Stadt einbezogen.


Der Abriss der Südzentrale gehört zu den gravierendsden Tiefpunkten in der Wilhelmshavener Architekturgeschichte :( | foto.eres

Der Abriss der Südzentrale ist trauriges Highlight in dieser Art von Baugeschichte. Ein architektonisch wertvolles Gebäude wurde nach Widerstand aus der Bevölkerung inklusive Lösungsvorschlägen eingeebnet. Es ist auch nicht die einzige derartige Glanzleistung, die sich das Stadtparlament genehmigte. Man riss auch schon ganze geschichtshistorische Sielorte wie Inhausersiel ab, damit sich die Großindustrie verwirklichen konnte.

Wolkenkratzer bauen

Blättert man in den Internetseiten des genannten Architektenbüros für das 20stöckige Holzhochhaus, den "KAHRS Architekten, stößt man auf den Verweis zum Film "Das Haus von morgen.

Darin wird im ZDF-Format "plan b" gezeigt, wie zukünftiges Bauen aussehen könnte. Neben Recycling aus ehemaligen Immobilien und bauen mit Lehm wird auch Holz als nachwachsender und Kohlenstoff bindender Zukunftsbaustoff erwähnt. Im Film zeigt man einen Hochhausneubau in Berlin, mit wesentlich weniger Stockwerken, als in Wilhelmshaven vorgesehen.

In einem Nebensatz wird dann erwähnt, dass Hochhäuser als Holzbau über 13 Meter nur in drei Bundesländern in Deutschland gebaut werden dürfen: Berlin, Hamburg und Baden Würtemberg.

Im Informationsdienst Holz erfährt man dazu: Zitat: " ... Bei den Kennwerten für die Standsicherheit ist der Systemholzbau mit anderen Bauweisen gut vergleichbar, bzw. als Alternative zum konventionellen Massivbau konkurrenzfähig. Trotz der erhöhten Regeldichte für den Nachweis für den Brandschutz ermöglicht das geltende Baurecht die Realisierung von Holzbauten bis Gebäudeklasse 4. ..."
(Quelle: informationsdienst-holz.de)

Würde man das öffentlich genannte Projekt bauen wollen, so wäre das z. Zt. eher schwierig bis gar nicht realisierbar, weil man nur Häuser der Gebäudeklasse 4 (Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 Metern; Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 Quadratmetern) außerhalb der genannten Bundesländer verwirklichen kann. Ob eine Sondergenehmigung greifen würde, entzieht sich unserer Kenntnis.

Hinderungsgrund für höhere Bauten aus Holz ist der Brandschutz:

Zitat: " ... Das primäre Schutzziel im Brandschutz nach § 14 MBO lautet: "Bauliche Anlagen sind so zu errichten, [...], dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorge­beugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind." ... In diesem Punkt liegt die wesentliche Neuerung der MBO 2002 für den Holzbau: Für Gebäude in Gebäudeklasse 4 (GK4) besteht die Möglichkeit, hochfeuerhemmende Bauteile zu verwenden, "deren tragende und aussteifende Teile aus brennbaren Baustof­fen bestehen und die allseitig eine brandschutztechnisch wirksa­me Bekleidung aus nicht brennbaren Baustoffen (Brandschutz­bekleidung) und Dämmstoffe aus nicht brennbaren Baustoffen haben". Tragende Gebäudestrukturen aus Holz sind somit bis zur Gebäudeklasse 4 ohne die Genehmigungen von Abweichungen in hochfeuerhemmender Bauweise möglich geworden." ..."
(Quelle: informationsdienst-holz.de)

Neben den rechtlichen Bauauflagen könnte man sich langsam aber sicher nach vielen hochtrabenden Versprechen fragen, ob man die Wilhelmshavener:innen aktiv mit in die Debatte einbeziehen sollte.

Bürgerkonvent etablieren

Nach vielen gescheiterten Projekten, für die viel Geld versenkt wurde und weiterhin versenkt wird, könnte man ein Bürgerkonvent mit der Fragestellung betrauen, wie und wohin sich Wilhelmshaven wirklich entwickeln kann und sollte.

Andere Länder, Städte und Gemeinden praktizieren schon eine sogenannte Gemeinwohlökonomie. Frankreich hat sogar einen Klimarat, der neben dem Parlament nach Lösungen für eine nachhaltige Zukunft sucht. Irland hat über Referenden die Homoehe und das Recht auf Abtreibung durchgesetzt. In Schottland ist die Gemeinwohlökonomie Bestandteil der Gesetzgebung.

Investieren in gute Zwecke

In der sogenannten "Wellbeing Economys" (Gemeinwohl-Ökonomie) ist Geld nicht alles. Es soll eine Wirtschaft entstehen, die nicht allein auf finanziellen Gewinn setzt, sondern den Menschen wirklich nützt. Geld soll für gute Zwecke ausgegeben werden, statt in Wachstum um jeden Preis fließen. Viele kleine Schritte können den Unterschied machen auf dem Weg zu einem Wohlstand in dem alle profitieren.

Um alle Häuser in Deutschland aus Holz bauen zu können, würden ca 21 Millionen Kubikmeter Holz ausreichen. Im Jahr wachsen in deutschen Wäldern ca 122 Millionen Kubikmeter Holz.

Würde sich die Bauwirtschaft in diese Richtung umorientieren, wäre es Holz zu bauen ein alternatives vielversprechendes Zukunftsmodell. Die Wirtschaft insgesamt tut sich aber schwer, weil es einem Paradigmenwechsel gleich käme, bei dem die etablierten betonbauenden Betriebe als Verlierer dastehen würden. Als Beispiel sei auch der Infrastruktursektor genannt, derzeit unter der Leitung von Verkehrsminister Volker Wissing. Der "glänzt" in Zeiten des Klimawandels, Dürreperioden und drohenden Waldbränden mit dem Vorhaben, zehnspurige Autobahnen verwirklichen zu wollen und torpedierte das Aus für den Verbrenner 2035 im Europarat mit seinem Veto.

Letzterer verhindert durch die zunehmende Versiegelung und Flächenverbrauch durch Straßenbau, das nachhaltige Waldwirtschaft kaum eine ernstzunehmende Vorrang-Chance einzuräumen wäre.

2020 betrug der tägliche Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr durchschnittlich 56 Hektar pro Tag.

Die Bundesregierung hat Anfang 2018 das 30-Hektar-Ziel für das Jahr 2020 auf das Jahr 2030 verschoben. Der fragwürdige Paragraf 13 b im Gesetzesentwurf der Bundesregierung 2020 zum Baugesetzbuch, enthält erhebliche Erleichterungen zum Wohnungsbau im geschützten Außenbereich und ermöglicht eine Verlängerung der Zeit hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft, wie Ersatzpflanzungen oder Renaturierungen von Flächen, entfallen ebenfalls.

Es bedarf so betrachtet erheblicher Anstrengungen, um eine nachhaltige Holzwirtschaft überhaupt realisieren zu können.


In Bottrop wurde mit "Innovation City" eines der interressantesten Verfahren verwirklicht, um alle an einen Tisch zu bekommen, um die Geschicke der Stadt zu gemeinsam auf Augenhöhe zu entwickeln. Das wäre auch in Wilhelmshaven machbar :( | foto|grafik.hufenbach

Vielleicht hätte man das Adena Haus, dem jetzt angestrebten Bauplatz, gar nicht abreißen müssen, ähnlich wie die Südzentrale. Man sollte statt dessen zusammen mit den Bürger:innen Wilhelmshavens die eigene Stadt auf Augenhöhe mit entwickeln lassen, ähnlich wie in Bottrop, mit dem Projekt "Innovation City".

Die haben mit einem Bürgerbegehren schon gezeigt, dass sie mit dem Bau einer Stadthalle am Banter See nicht einverstanden sind und so durchgesetzt, dass sie dort nicht gebaut wird.

Die Wilhelmshavener:innen haben nebenbei auch schon viel ihrer Freizeitflächen opfern müssen, immer mit den gleichen Versprechen eines sich dadurch fulminant entwickelnden Oberzentrums.

Hintergrund

Es sind vielversprechende Bauinnovationen auf dem Vormarsch, neben bauen mit Lehm, oder gebrauchten Anteilen von alten Immobilien auch Holz in Hybridbauweise, d. h. mit einem Fundament aus Beton. Hinzu kommt, dass man vortrefflich streiten kann, ob ein für Wilhelmshavener Verhältnisse so gewaltiger Bau dort am ehemaligen Standort des Adena-Hauses überhaupt hineinpasst. Vielleicht geht es auch nur darum, den Hochhausbau aus Holz in anderen Bundesländern außer Berlin, Hamburg und Baden Würtemberg zu etablieren. Es besteht auch die Gefahr einer Wiederholung der Bauversprechen auf vom sogenannten Ehrenwortplatz, wo heute weder ein Outletcenter, noch ein modernes Altenheim steht.

Paradigmenwechsel

Wenn man den Klimawandel ernst nimmt und die wirtschaftlichen grundlegenden Veränderungen hinzu addiert, wird es Zeit, auch in Wilhelmshaven einen Paradigmenwechsel einzuleiten, um mit einem kommunalen Bürgerkonvent die Bürger:innen auf Augenhöhe mitzunehmen. Sie sollten mit einem legalen Mitbestimmungsinstrument authorisiert werden, über die nachhaltige Zukunft ihrer Stadt aktiv mitentscheiden zu dürfen.

-ex> Wolf-Dietrich Hufenbach
CEO | Zukunftswerkstatt Wilhelmshaven

-ex> Bürgerkonvent

-ex> Informationsdienst-Holz

-ex> kahrs-architekten.de | Das Haus von morgen

-ex> VIDEO Das Haus von morgen | ZDF

-ex> 30-Hektar-Tag: Kein Grund zum Feiern | Unser Flächenverbrauch ist noch immer viel zu hoch NABU

-ex> Gemeinwohl-Ökonomie

-ex> innovationcity-bottrop.de

-ex> Stadthalle am Banter See | Bürgerbegehren gegen den Bau einer Stadthalle am Banter See

-ex> Zukunftswerkstatt Wilhelmshaven


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