Startseite-> 2023 Energie-> Gutachten: Biozid-Einsatz LNG-Terminal in Wilhelmshaven | 09-02-2023

Gutachten: Biozid-Einsatz LNG-Terminal in Wilhelmshaven | 09-02-2023

FOTO: Hufenbach


Alle anderen LNG-Standorte kommen ohne Chloreinleitungen aus, nur Wilhelmshaven nicht :( | foto.hufenbach

09-02-2023 | Pressemitteilung | -ex> Deutsche Umwelthilfe

Neues Gutachten der Deutschen Umwelthilfe: Biozid-Einsatz des LNG-Terminals in Wilhelmshaven unvereinbar mit geltender Gesetzgebung und Gefahr für Mensch und Natur

-> Analyse im Auftrag der DUH zeigt: Dauerchlorierung ist nicht Stand der Technik und steht zudem in Konflikt mit Bundes- und EU-Gesetzgebung

-> Schnelligkeit über Sicherheit und Umweltschutz: Toxische Effekte auf Meereslebewesen können übersehen werden, bisherige Maßnahmen der Behörden in Niedersachsen zum Monitoring der Umweltfolgen nicht ausreichend

-> DUH fordert zuständige Behörden auf, die Genehmigung zur Einleitung von Chlor-Biozid zurückzunehmen und eine Nachrüstung des Terminalschiffs anzuordnen


Das in Wilhelmshaven zum Import von Flüssigerdgas (LNG) eingesetzte Verfahren der Dauerchlorierung ist nicht Stand der Technik und setzt zudem die lokale Fischerei und die Gesundheit von Mensch und Natur vor Ort aufs Spiel. Das zeigt ein im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) erstelltes Gutachten des Labors für limnische, marine Forschung und vergleichende Pathologie (LimnoMar). Die heute veröffentlichte Analyse legt dar, dass der kontinuierliche Einsatz der Elektrochlorierung zudem in Konflikt mit deutscher und europäischer Gesetzgebung steht und auf EU-Ebene nicht zugelassen ist, sondern sich lediglich in Prüfung befindet. Die DUH fordert vom zuständigen Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) die Genehmigung für die Einleitung von Chlor zurückzunehmen und eine Nachrüstung des Terminalschiffs „Höegh Esperanza“ anzuordnen. Sollte der NLWKN untätig bleiben, wird der Umwelt- und Verbraucherschutzverband auf Grundlage des Gutachtens weitere rechtliche Schritte in die Wege leiten.


Müll in das UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer zu verklappen gehört nicht erst seit den Chloreinleitungen zu den verheerenden Umwelttugenden der Bundes- und Landesregierung :) | foto.hufenbach

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „In Wilhelmshaven wird Schnelligkeit weiter über Sicherheit und Umweltschutz gestellt. Obwohl es seit über 20 Jahren nicht mehr empfohlen wird, arbeitet das LNG-Terminalschiff ‚Höegh Esperanza‘ weiter mit der umweltschädlichen Elektrochlorierung im Dauerbetrieb. Dass die Verwendung anderer, umweltverträglicherer Methoden hier nicht einmal geprüft wurde, ist ein großes Versäumnis der Genehmigungsbehörden. Stattdessen wurde die jährliche Einleitung dutzender Tonnen Chlor sogar unbefristet genehmigt. Unser Gutachten zeigt nun, dass das nicht nur unvereinbar mit geltenden Gesetzen wie der Abwasserverordnung ist, sondern auch, dass es bessere Alternativen gibt. Die zuständigen Behörden müssen die unbefristete Genehmigung des schädlichen Biozids unverzüglich rückgängig machen und den Betreiber des Terminals dazu zu verpflichten, die Säuberungsverfahren an den Stand der Technik anzupassen. Ansonsten werden wir weitere rechtliche Schritte in die Wege leiten, um den Schutz der einzigartigen Natur und der Menschen vor Ort zu gewährleisten.“

Die von der FSRU Esperanza eingesetzte Dauerchlorierung fällt unter die EU-Biozid-Verordnung und ist dort nicht explizit zugelassen, sondern befindet sich in Prüfung und kann zurzeit nur noch wegen einer Ausnahmeregelung als „Altbiozid“ verwendet werden. Entsprechend kann ein vollständiges Verbot dieser Technik schon bald beschlossen werden. Die deutsche Abwasserverordnung verbietet außerdem schon jetzt das Verfahren der Dauerchlorierung, das laut Gutachten zudem nur schwerlich mit dem Wasserhaushaltsgesetz und dem Bundesimmissionsschutzgesetz vereinbar ist. Lediglich eine Stoßchlorierung, bei der es zu etwa 50 Prozent weniger Einsatz an Biozid kommt, ist laut der Verordnung genehmigungsfähig.

Dazu Dr. Burkhard Watermann, Geschäftsführer von LimnoMar und Autor des Gutachtens: „Es ist unter lebensmittelrechtlichen wie ökotoxischen Aspekten mehr als fahrlässig lediglich auf der Grundlage von Modellierungen auf ein biologisches Effektmonitoring zu verzichten. Ein biologisches Rückstands- und Effektmonitoring sollte unverzüglich im Einflussbereich der Abwässer des LNG-Terminalschiffs begonnen werden. Da eine unbefristete Genehmigung ausgesprochen wurde, sollte darüber hinaus langfristig der Einsatz weniger toxischer Biozidverfahren zum Beispiel mit Wasserstoffperoxid oder biozidfreien Verfahren wie Ultraschall verbindlich vorgeschrieben werden, um den Schaden zu begrenzen!“

Hintergrund:

Die derzeitige Dauerchlorierung stellt eine Gefahr für Meereslebewesen und damit für die lokale Fischerei dar. Die Genehmigungsunterlagen schreiben keine biologische Überprüfung des Biozideinsatzes mittels Probennahme betroffener Meereslebewesen wie beispielweise Muscheln oder Schnecken vor. Laut Gutachten ist eine solche biologische Überprüfung mittels realer Messungen jedoch vor allem in Hinblick auf die Genießbarkeit zum Beispiel von Muscheln zwingend geboten. Der Verzicht auf ein solches Monitoring bedeutet, dass durch die Chlorierung entstehende Folgeprodukte und deren toxische und schädigende Effekte auf Fische, Muscheln und Schnecken nicht nachvollzogen und damit übersehen werden könnten. Eine Genehmigung lediglich auf Grundlage von Modellierungen, wie momentan vorliegend, ist laut Gutachten nicht ausreichend.

Das LNG-Terminalschiff „Höegh Esperanza“ setzt das Verfahren zur Elektrochlorierung ein, um aus dem Meerwasser Chlor zu gewinnen und damit den Bewuchs von Rohrleitungen mit Seepocken oder Muscheln zu verhindern. Das Meerwasser wird eingesetzt, um mit seiner Temperatur das -160 Grad kalte Flüssigerdgas aufzuwärmen und damit in einen gasförmigen Zustand zu bringen. Das mit Chlor versetzte Meerwasser wird danach wieder in das Meer eingeleitet.


-download | ex> Gutachten Labor LimnoMar


<- ENERGIE | Thema

FOTO: Hufenbach | FOTO: Hufenbach | FOTO: Hufenbach